Kraftwagen: Entwicklungstendenzen

Kraftwagen: Entwicklungstendenzen
Kraftwagen: Entwicklungstendenzen
 
Das Auto des Jahres 2000 fährt schon längst auf unseren Straßen. Entgegen den Prognosen aus den 1950er-Jahren ist es kein schnittiges gasturbinenbetriebenes Höchstleistungsfahrzeug, sondern in aller Regel eine relativ kompakte Reiselimousine mit fünf Sitzplätzen, einem variablen Innenraum und einem Verbrennungsmotor. Zwar ist der spezifische Kraftstoffbedarf der Motoren in den letzten Jahren gesunken, dies ist aber durch den ungebrochenen Trend zu höheren Leistungen und vor allem durch den Zuwachs des Bestandes mehr als kompensiert worden.
 
Doch der immense Verbrauch von wertvollen Rohstoffen gerät zunehmend in die Kritik. Zwar ist die »Ölreichweite« wieder größer geworden, weil neue Lagerstätten exploriert werden; vielen Kritikern gilt aber die Verbrennung erschöpfbarer Ressourcen für Mobilität als Verschwendung.
 
Ansatzpunkt für eine Weiterentwicklung des Autos sind dessen Emissionen, trotz des hohen Anteils der Fahrzeuge, die mit geregelten Katalysatoren ausgerüstet sind. Sie sind eine typische »End-of-pipe«-Technologie, mit der man versucht, bereits verursachte Schäden zu heilen, statt ihnen vorzubeugen. Der sinnvollere Ansatz ist es, Schadstoffe gar nicht erst entstehen zu lassen, um auf nachgeschaltete Maßnahmen verzichten zu können. Neue Technologien sind gefragt.
 
Eine Möglichkeit, die Technologie des Verbrennungsmotors beizubehalten, ist der Wasserstoffantrieb. Mit Wasserstoff, der entweder solar oder durch Atomkraft hergestellt wird, können zum einen konventionelle Motoren fast abgasfrei betrieben werden; nur Wasser und etwas Stickoxid fallen an. Hier hätte der Wankelmotor wieder eine Chance, weil er sich problemloser als der Hubkolbenmotor umstellen ließe. Auf absehbare Zeit aber könnten Ottomotoren mit Gasbetrieb die preiswerteste und technisch am schnellsten zu realisierende Möglichkeit sein, die Emissionen signifikant zu verringern. Erdgas verbrennt sauberer als Erdöl und ist zurzeit der sauberste fossile Kraftstoff der Welt. Bivalente Autos, also Modelle, die wahlweise mit Erdgas oder Benzin betrieben werden können, sind seit einigen Jahren auf dem Markt.
 
Wasserstoff kann jedoch auch Elektrofahrzeuge betreiben: In einer Brennstoffzelle wird auf elektrochemischem Wege aus Wasserstoff elektrische Energie erzeugt. An Abgas fällt bei der Reaktion nur Wasserdampf an. Da die Verwendung von Wasserstoff einen aufwendigen Drucktank voraussetzt, werden Brennstoffzellen auch mit wasserstoffhaltigen Verbindungen — zum Beispiel Erdgas oder Methan, aber auch Flüssigkeiten wie Methanol oder Benzin — betrieben. Hier entsteht dann zwar auch eine geringe Menge an Kohlenmonoxid, die aber mit einem Katalysator auf ein Minimum reduziert werden kann. Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde beispielsweise beim Forschungszentrum Karlsruhe mit Brennstoffzellen für Straßenfahrzeuge experimentiert. Die Autoindustrie folgte: Daimler-Chrysler stellte 1999 den Prototyp Necar 4 auf Basis der A-Klasse vor, der ab 2004 in Serie gehen könnte.
 
Elektrofahrzeuge basieren auf einer Technik, die älter ist als die Verbrennungsmotoren und die um 1900 speziell für Stadtautos einen hohen Marktanteil hatte. Nicht zuletzt wegen der einfachen Bedienung und der Sauberkeit waren sie beliebt. Ankurbeln, problematische Gangwechsel und schmutzige Wartungs- und Reparaturarbeiten entfielen weitgehend. Ein Elektroauto stellte 1899 sogar den Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge von über 100 Kilometern pro Stunde auf. Problematisch blieben aber immer die Reichweite und die Lebensdauer der Batterien. So besetzten Elektroautos nur Nischen, wie Elektrokarren bei der Post oder Milchauslieferungswagen in Großbritannien.
 
Die Ölpreiskrise von 1973 belebte das Interesse am Elektroauto wieder. Elektronische Regelungen, Wiedereinspeisung von Energie beim Bremsen, neue Motorentypen wie Drehstromantriebe, Einzelantrieb der Räder durch Nabenmotoren wurden gebaut. Doch kein Versuchsfahrzeug brachte letztlich den Durchbruch, die bekannten Probleme blieben erhalten. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten durch den Kleinserienbau blieben Elektroautos immer zu teuer für den massenhaften Einsatz.
 
Endgültig durchsetzen wird sich das Elektroauto erst dank gesetzlicher Vorgaben wie etwa der Zulassungsvorschriften des US-Bundesstaats Kalifornien. Diese schreiben einen Anteil an »Zero Emission Vehicles« (ZEV) vor, also Fahrzeugen, die beim Betrieb keinerlei Abgase ausstoßen. Die bei der Erzeugung des elektrischen Stroms in Kraftwerken anfallenden Abgase bleiben unberücksichtigt; sie lassen sich auch zentral besser reinigen, als wenn sie dezentral in jedem einzelnen Auto anfallen. 1998 mussten zwei Prozent aller neu zugelassenen PKWs und Kleinlaster ZEVs sein, bis 2003 sollte ihr Anteil nach den ursprünglichen Plänen auf zehn Prozent steigen. Diese Vorgabe ist jedoch inzwischen nach unten korrigiert worden.
 
Ein wichtiges Hemmnis für die Durchsetzung von »konventionellen« Elektrofahrzeugen ist jedoch die immer noch ungelöste Speichertechnik: Batterien mit dem Energieinhalt von rund 50 Liter Benzin wiegen derzeit noch einige Hundert Kilogramm. Auch neue Batterietechnologien wie Natrium-Schwefel-Zellen reduzieren dies kaum und schaffen oft neue Probleme. Außerdem sind sie mitunter nicht crashsicher.
 
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die schweren Batterien zu vermeiden. Immer wieder vorgeschlagen werden Hybridfahrzeuge, auch dies eine alte Technik. Ferdinand Porsche hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg für die österreichische Firma Lohner Elektrofahrzeuge konstruiert, die ihren Strom nicht allein aus Batterien bezogen, sondern von einem Generator geliefert bekamen, der von einem konventionellen Benzinmotor betrieben wurde. In heutigen Hybridautos bilden ein Benzin- und ein Elektromotor einen gemeinsamen, elektronisch geregelten Antriebsstrang. Sie können in Ballungsräumen elektrisch, über Land mit ihrem Verbrennungsmotor fahren.
 
Echte ZEVs können durch die Kombination von Elektro- mit Solartechnologie entstehen. Solarzellen am Fahrzeug selbst werden wegen ihrer geringen Stromausbeute jedoch nur für extreme Leichtbauten ausreichen. Wohl aber könnte man mit ortsfesten Zellenpaneelen »Solartankstellen« errichten, an denen die nach wie vor unentbehrlichen Batterien emissionsfrei aufgeladen werden können.
 
Doch unabhängig vom Antrieb des zukünftigen Autos: Es wird, so lässt sich mit hoher Gewissheit prognostizieren, im Stau stehen.
 
Dr. Kurt Möser
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Kraftwagen: Hochtechnologie im Verborgenen
 
 
Berger, Roland / Servatius, Hans-Gerd: Die Zukunft des Autos hat erst begonnen. Ökologisches Umsteuern als Chance. München u. a. 1994.
 
Entwicklungstendenzen auf dem Gebiet der Ottomotoren, Beiträge von Dusan Gruden u. a. Ehningen 1993.
 Krüger, Roland u. a.: Alternative Kraftstoffe. Möglichkeiten zur Minderung der VOC-Emissionen im Straßenpersonenverkehr von Baden-Württemberg. Landsberg am Lech 1997.
 
Die Neuerfindung urbaner Automobilität. Elektroautos und ihr Gebrauch in den USA und Europa, herausgegeben vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Abteilung Organisation und Technikgenese. Beiträge von Andreas Knie u. a. Berlin 1999.
 Peren, Franz W. u. a.: Das Elektroauto und sein Markt. Frankfurt am Main u. a. 1997.
 Petersen, Rudolf / Diaz-Bone, Harald: Das Drei-Liter-Auto. Berlin u. a. 1998.
 Schindler, Volker: Kraftstoffe für morgen. Eine Analyse von Zusammenhängen und Handlungsoptionen. Berlin u. a. 1997.
 Schreiber, Jürgen: Auto-Praxis. .. von A- Z, bearbeitet von Birgit Kollbach und Heinrich Sonntag. Wiesbaden 141997.
 Simons, Wolfgang: Das Umweltauto, Band 1: Konventionelle und nichtkonventionelle Antriebe. Bremen 1998.

Universal-Lexikon. 2012.

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